Mit einer Ordensverleihung würdigt der Bundespräsident Menschen, die hervorragende Leistungen für das Gemeinwesen sowohl auf politischer als auch auf privater, ehrenamtlicher Basis erbracht haben. Paul Hebbel, der von 1999 bis 2004 Oberbürgermeister der Stadt Leverkusen war, erfüllt Beides und hat bereits im November 2020 das Bundesverdienstkreuz vom Bundespräsidenten verliehen bekommen. Innerhalb eines kleinen Festaktes konnte nun – nach den Lockerungen der Coronaschutzmaßnahmen – auch eine Übergabe der Insignien durch Oberbürgermeister Uwe Richrath erfolgen. Paul Hebbel, der amtierende Aufsichtsratsvorsitzende der nbso, begab sich anlässlich der Ehrung und der Eröffnung der Europa-Allee ins Gespräch mit der Geschäftsführung der nbso.
Lieber Herr Hebbel, nochmals herzlichen Glückwunsch zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande – eine tolle Würdigung Ihrer politischen und ehrenamtlichen Tätigkeiten! Die Presse hat diese Ehrung auch speziell auf Ihren Einsatz in der Bahnstadt bezogen. Wie verstehen Sie selbst diesen Preis?
Paul Hebbel: Die Auszeichnung soll ja eine Anerkennung nicht nur für die Arbeit der letzten dreizehn Jahre, sondern all dessen sein, was man ehrenamtlich, hauptberuflich, in Politik, Vereinsleben und Gesellschaft an guten Beiträgen für unser Miteinander in vielen Jahren erbracht hat. Dass dabei die Bahnstadt in den Vordergrund gerückt ist, hat sicher etwas damit zu tun, dass die letzten Jahre und das, was hier geschafft wurde, einfach bewusster ist.
Allerdings gab es zuvor auch äußerst wichtige Entscheidungen und Projekte, die für Leverkusen eine vergleichbare Bedeutung aufweisen. Nehmen wir nur die Landesgartenschau, die Leverkusen zurück an den Rhein gebracht hat. Zu nennen sind auch der Neubau der Theodor Heuss Realschule in Opladen, die damals aus allen Nähten platzte und jetzt leider durch das Hochwasserereignis schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde, die Entsorgungssicherheit und abfallwirtschaftliche Zusammenarbeit mit den bergischen Kreisen oder die 34-jährige Arbeit für eine gute Krankenhausversorgung in unserer Stadt.
Ein Ausbesserungswerk der Bahn, das 100 Jahre lang Schienenfahrzeuge repariert und gewartet hat, außerdem zahlreiche Arbeitsplätze angeboten hat, steht ja im Prinzip für Nachhaltigkeit. Von daher schreibt die Bahnstadt eigentlich dieses Prinzip fort, nur unter den gesellschaftlichen Vorzeichen des 21. Jahrhundert. Ist an diesem Gedanken etwas dran?
Paul Hebbel: Alles hat seine Zeit. Heute kommt auf dem Gelände des früheren Ausbesserungswerks Nachhaltigkeit ganz vielfältig zum Ausdruck, etwa durch eine umweltfreundliche Energie- und Wärmeversorgung, modernes, energiesparendes Bauen, vom Wohnungsbau bis zu den Studienplätzen der Hochschule, und eine zukunftsweisende Begrünung.
Stichwort Grün: Das Grüne Kreuz auf der Ostseite, das Grüne Band, wilder Wein an der Schallschutzwand, die längste Allee Leverkusens, jetzt sollen in der Bahnstadt West noch jede Menge Fassaden- und Dachbegrünungen folgen. Was hält ein „Schwarzer“, Sie sind ja seit jungen Jahren Mitglied der CDU, von so viel Grün?
Paul Hebbel: Das Grün in der Natur ist unpolitisch. Mit der uns anvertrauten Erde behutsam umzugehen ist ein Auftrag, den jeder Mensch ernst nehmen muss. Das tut auch meine Partei mindestens so lange ich – seit mehr als fünfzig Jahren – Mitglied bin. Man darf aber kein politisches Thema absolut und losgelöst von anderen wichtigen Anliegen betrachten. So müssen wir als Industrienation schon darauf achten, dass eine Stromversorgung auch dann sicher ist, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint.
Wie gefällt Ihnen der Slogan des in der Bahnstadt ansässigen Projektentwicklers Cube Real Estate, der für die Cube Factory 577 auf den Bussen der wupsi wirbt: Zuhause mit Geschichte wohnen?
Paul Hebbel: Das gefällt mir ausgesprochen gut. Wir dürfen unsere Wurzeln und unsere Geschichte niemals vernachlässigen oder gar vergessen. Ein Volk, das seine Geschichte vergisst, lebt in der Gefahr, sie zu wiederholen.
Sie haben den Preis für Ihr ehrenamtliches Engagement auch für Ihren Einsatz im Karneval und im Brauchtum erhalten. Herr Hebbel, ein Wort zum Funkenturm in der Bahnstadt.
Paul Hebbel: Ein Mensch ohne Humor ist wie ein Haus ohne Fenster. Brauchtum und Humor machen unser oftmals ja auch von Schmerz und Abschied begleitetes Leben leichter und fördern das Miteinander. Bei der Bahnstadt war es uns allen und mir immer ganz besonders wichtig, das Alte mit dem Neuen zu „versöhnen“. Die Altstadtfunken Opladen als älteste Leverkusener Karnevalsgesellschaft haben hier einen riesigen Einsatz geleistet und an zentraler Stelle auf dem Gelände eine Stätte der Begegnung geschaffen, die ihres gleichen sucht.
Der Bahnstadt wird oft als elitäres Projekt bezeichnet. Ist nicht das Gegenteil der Fall, wenn man die besondere Nutzungsmischung und die Auswirkungen der Bahnstadt auf Opladen und die Gesamtstadt betrachtet?
Paul Hebbel: Elitär wäre das Projekt, wenn wir nur eine Nutzungsart und das auch noch im hochpreisigen Segment verwirklichen würden. Wir bauen hier aber weder den Kölner Stadtteil Lindenthal noch den Hahnwald nach. Hier gibt es alle Wohnformen für Jung und Alt, Studienplätze, Gastronomie, Gewerbe und Verkehrsinfrastruktur für alle Nutzungsarten.
Die Neue Bahnstadt Opladen galt von Anfang an als Leuchtturmprojekt der Stadt Leverkusen. Sie haben das Projekt seit 2009 als Aufsichtsratsvorsitzender begleitet. Macht es die Aufgabe leichter von Anfang an im Fokus der Öffentlichkeit zu stehen?
Paul Hebbel: Der Fokus der Öffentlichkeit ist oft angenehm, kann aber auch sehr unangenehm werden, wenn Vorurteile gebildet oder abseits der richtigen Fakten Dinge behauptet werden. Das große Interesse vieler Mitbürgerinnen und Mitbürger allerdings war von Anfang an wohltuend und hat das Projekt auch immer positiv begleitet.
Von der Bahnstadt lernen. Inwieweit können Sie sich die nbso, die städtische Projektentwicklungsgesellschaft, als Vorbild für andere Großprojekte vorstellen?
Paul Hebbel: Es gibt einige Voraussetzungen, die bei anderen Projekten der Stadtentwicklung nicht so gegeben sind, wie bei der Bahnstadt (Grundstücksverhältnisse, Förderlandschaft, usw.). In der hervorragend guten Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Geschäftsführung kann die nbso allerdings ganz sicher ein Vorbild sein für andere Projekte und Maßnahmen der Stadtentwicklung.
Kommen wir zum Schluss zurück zu einem Thema, das Sie bereits angeschnitten haben – dem Flutereignis in unserer Stadt. In Ihrer Dankesrede zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande haben Sie formuliert, dass es auch zur politischen Verantwortung gehört statt des Gegeneinanders das Miteinander zu fördern. Ein besseres Beispiel zum Miteinander in der Stadt kann man kaum finden, auch wenn der Anlass ein sehr trauriger war.
Paul Hebbel: „Völlig richtig. Es ist immer wieder zu bewundern, wie sich der manchmal nicht sehr rücksichtsvolle Umgang miteinander, „in der Not“ verändert hin zu Verständnis, Rücksichtnahme und Füreinander da sein. Das beweisen die riesigen Spenden an die Bürgerstiftung, gerade auch mit Bezug auf die Schäden in unserer Stadt, aber auch das spontane „Mitanpacken“ bisher wildfremder Menschen, da, wo Hilfe nötig ist.“
Herr Hebbel, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Foto: Paul Hebbel. Pflanzung der Sumpfeichen entlang der Europa-Allee 2019 © Neubauer/nbso